12.8.06

(8) Das Erkenntnisprogramm des Konstruktivismus (SK3)

Zusammenfassung des Text aus Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung 5


Es findet eine Abkehr von der epistemologisch bisher gebräuchlichen Unterscheidung Realismus/Idealismus statt.

Glaubte man bislang vielleicht, mit Fragen nach der "Realität dahinter" (hinter der dirketen Wahrnehmung), auf die wahre Realität zu stoßen, so wird nun davon ausgegangen, dass der Blick dieser Reflexionsbemühungen "nur" auf die Erkenntnis des Erkannten selbst fällt.

Dass das Erkennen als selbstgetätigte Operation getätigt wird, läßt darauf schließen, dass es eine (wenn auch unzugängliche) Außenwelt gibt.


daraus folgt: Das Erkennen kann gerade noch sich selber erkennen, wobei es erkennt, dass es mehr gibt als nur das Erkannte. --> Es weiß um seinen blinden Fleck. Und es weiß um eine Außenwelt, die nicht bekannt ist.

"Durch welche Frage wird das Problem [des Erkennens / welches mit Erkenntnis verbunden ist] artikuliert?"

Man wird als Konstruktivist einsehen müssen, dass man über das Unterscheiden nicht hinauskommt. Schon die Frage nach dem "Erkennnen" setzt die Unterscheidung Erkennen]Nicht-erkennen voraus.

-> Es kommt zur selbstimplikativen Frage der Problemstellung, mit welcher Unterscheidung unterschieden wird. --> Man fragt nach, wie man Erkennen] von ]Nicht-Erkennen unterscheidet, also erkennt.

Die System]Umwelt - Unterscheidung ersetzt frühere Unterscheidungen (bspw. transzendental/empirisch od. analytisch/synthetisch), weil es sich um operativ geschlossene Systeme IN einer Umwelt (unbekannt, aber real u. wirklich) handelt.

In der konstruktivistischen Systemtheorie können nur geschlossene Systeme erkennen. Dabei wird die Realität De-Ontologisiert. D.h. es wird zwar eine Realität angenommen, die unterschieden, beobachtet etc. wird, aber sie hat keine ontologische Relevanz.
Das man nicht entscheiden kann, ob es eine Realität gibt od. nicht, widerlegt nicht die Realität sondern nur die glatte Unterscheidung Sein]Nicht-Sein.

Erkenntnis läuft über, bei rekursiven u. selbstreferentiellen Systemen übliche, vernetzte Operationen, bei der die eine die andere bestätigt und mit jeder neuen Anschlussoperation das System reproduziert und seine Grenzen gezogen werden. Ein System ist eine Vielfalt (von Operationen) als Einheit (dieser Operationen) (unitas multiplex). Die Erkenntnis wird durch andere Operationen bedingt und diese werden durch die Erkenntnis bedingt.

Kein System kann außerhalb seiner Grenzen operieren. --> Jede zusätzliche Operation weitet die Grenzen lediglich aus, kann aber keine Verknüpfung mit der Umwelt herstellen. Grenzen haben die Funktion Diskontinuität (nicht Übergang) zu sichern. Erkennen ist also eine in Bezug auf die Umwelt kontaktunfähige und blinde Operation.

"Können wir überhaupt von Erkenntnis reden?"

Zunächst muss folgendes festgehalten werden:

- Was ist = Was es ist # was es nicht ist

- Nichts ist nicht!! -----> "Nichts" ist kein substanzieller Begriff

- Nichts # nicht

- "nicht" ist ein positiver Operator --> er führt zu positiven Operationen mit denen etwas erreicht wird. Auch mit "... ist nicht"-Operationen wird die Autopoiesis des Systems fortgesetzt.

--> Negationen werden immer positiv anschlussfähig und sie besitzen eine Vorgeschichte.
--> Das (ALLES!) Negative ist positiv in einem rekursiv operierenden System, und es gibt in der Umwelt des Systems nichts was dem entspricht.


Eine an Paradoxien anschließende Logik muss auf die Entfaltung eines Zirkels abstellen. Unterscheidungen müssen in das durch sie Unterschiedene wieder eintreten => reentry.
Dies geschieht in der Reihenfolge:
1.) Draw a distinction
2.) reentry


Beobachten ist Erkennen, soweit es Redundanzen benutzt und erzeugt. Redundanzen sind bestimmte systeminterne Beschränkungen, die bestimmte Beobachtungen wahrscheinlicher und andere unwahrscheinlicher machen.

Der Schritt zum Konstruktivismus ergibt sich aus dem Problem des Erkennens: Denn schon die Differenz und der Horizont von Möglichkeiten, aufgrund derer Information Selektion (= Information) sein kann, ist systemintern konstruiert. Für nichts womit das System operiert - weder für Unterscheidungen und Bezeichnungen (-> Beobachtungen), noch für Negationen - gibt es ein Korrelat in der Umwelt des Systems. Alle Unterscheidungen sind rein interne Rekursive, Redundanzen aufbauende und Redundanzen störende, Operationen eines Systems. Auch Informationen sind systeminterne Errungenschaften.

Alles Beobachten setzt eine blind benutzte Unterscheidung im Moment ihers Gebrauchs voraus, deren Beobachtung eine andere blinde Unterscheidung bedürfte. Der Kontakt mit der, in der Systemtheorie unangezweifelten Außenwelt, ist möglich, aber nur als Bedingungen der Wirklichkeit der Operation des Systems selbst. ---> Allerdings wird das was existiert, durch den Beobachter hinzuimaginiert. Der Grund dafür, ebenso wie die Folge davon ist, dass mit der Gebrauch spezifizierter Unterscheidungen ein reichhaltiger Kombinationsraum erschlossen werden kann, der dem System dann über Entscheidungen über eigene Operationen dient.

Erkennen ist Realisieren kombinatorischer Gewinne auf Basis der Ausdifferenzierung eines Systems gegenüber seiner Umwelt.

Der blinde Fleck. der bei im Gebrauch jeder Unterscheidung mitgeführt wird. ist die Garantie einer Welt außerhalb der System]Umwelt-Welt.
Gleichzeitig entstehen durch ihn Paradoxien als Produkt jeder Erkenntnis, weil wir blinde Unterscheidungen benutzen um blinde Unterscheidungen zu beobachten.

Welt = System + Umwelt

Wirklich Systeme benötigen eine wirkliche Welt um existieren und erkennen zu können. -> Die Welt ist aber kognitiv unzugänglich.

[Als soziale Realität gilt nun dass, was im Beobachten eienr Mehrheit von Beobachtern als ihnen trotz ihrer Unterschiedenheit übereinstimmend gegeben beobachtet werden kann. Dabei muss ein Beobachter [eine Mehrheit von Beobachtern] unterscheiden können.]

ZEIT

Kognitive Systeme operieren auf der Basis von Ereignissen mit momenthafter Aktualität. Damit ein Ereignis durch ein anderes Ereignisse ersetzt werden kann, müssen entsprechende Strukturen geschaffen werden. Sind diese vorhanden, findet der Übergang in einem systemspezifischen (von der Umwelt unterschiedenen) Tempo und Rhythmus statt. Das Zeitverhältnis von System und Umwelt lässt als eins der Gleichzeitigkeit beobachten.



Was Gleichzeitig (Bedingung für Zeitunterscheidungen) ist, lässt sich nicht beeinflussen. Die Position des Systems zwischen eigener Zukunft und eigner Vergangenheit bezeichnet die systemspezifische Zeit.

Das System kann Prognosen abgeben. Das heißt, dass es mittels orgnanisation der Differenz von Informationen über Vergangenes (Rückgriff auf Gedächtnis) und erwartet Zukünftiges, eine Konstruktion bemüht, die es ihm ermöglichen kann sich auf selbstgeschaffene Risken auf verschieden Arten vorzubereiten. Die Differenz zwischen Vergangenem und Zukünftigem kommt so natürlich nur im jeweiligen System vor.

Da das Inaktuelle aufgrund nicht-veränderbarkeit konstant gehalten werden kann, können Außenweltveränderungen durch terminologische Konstanten repräsentiert werden. Dazu benötigt ein System Aufzeichnungen.

---> Welt als unbeobachtbare Welt wird in die 3 Dimensionen [Sozialdimension], [Sachdimension] [Zeitdimension] entfaltet. Darin verankert ist die Gleichzeitigkeit der Welt, die sich in dieser Hinsicht nicht verändert, sondern jeder Aktualisierung mitgegeben ist.

Freiheiten der Erkenntis beruhen auf der radikalen Desimultanisierung der Welt --> der Verkürzung auf den fast nichts bedeutenden Moment.
--> in der gewonnen Fülle von Möglichkeiten, muss sich die Erkenntnis dann eigenbestimmt zurechtfinden.
--> Ein Moment ist Moment nur für einen Beobachter.

--> durch eigene Operationen erzeugte Systemzustände dienen als Kriterium für das Passen od. Nicht-Passen weiterer Operationen (Reize aus der Umwelt können mitwirken)





blinder Fleck beobachten --> latente Strukturen und Funktionen des beobachteten Beobachters beobachten

"Auf welche Eigenzustände konvergiert ein System, dass seine Beobachtungen ständig auf das konzentriert, was andere nicht beobachten?"

-> Da jeder Gebrauch von Unterscheidungen Paradoxien produziert, muss man von der Seite beobachten und fragen: "Was ist der blinde Fleck der Paradoxie?"

--> zeitlich und sozial aufteilen
--> verweisen auf Sachtheorie (Theorie autopoietischer Systeme)
--> eine Paradoxie ist auch "nur" eine Operation, die auf andere, vorausgegangene u. anschließende Operationen verweist.


Durch das Unterscheiden differenziert sich das Erkennen gegen alles, was nicht Erkennen ist.
-> Erkennen ist aber auch schon eine real konditionierte Operation -> erkenntnisspezifische Codierungen u. umweltdifferente Unterscheidungen

Realität wird über Unterscheidungen konstruiert u. bleibt damit Konstruktion
Erkenntnis = Realitätsgarantie, Realitätsäquivalent
Realität ist das, was man nicht erkennt, wenn man die Realität erkennt

Die Operation vollzieht sich gleichzeitig mit der Welt, die ihr deshalb kognitiv unzugänglich bleibt.

Erkennen als Realoperation verdankt sich also vor allem einem Instrument, welches operationale Geschlossenheit erfordert und sich von seiner Umwelt absolut unterscheidet. Damit gewinnt das System die Multiplikation kombinatorischer Möglichkeiten und zwar durch die optionale Verwendung von Unterscheidungen.

[Erkennen erfordert Sinn] + [Sinn erfordert Unterscheidungen] = [letzte Realität sinnlos (gedacht)]



"Wie bringt ein System es fertig, Beschränkungen durch die Umwelt in Bedingungen der Steigerung eigener Komplexität umzuformen?"

--> Nicht-Beliebigkeit von Erkenntnis ist nichts anderes als die evolutionär kontrollierte Selektivität des in der Frage formulierten Umformungsprozesses.


Die Systemtheorie, gerade auch die soziologische, ist als post-humanistische Theorie angelegt, was meint, dass Erkennen und Beobachten von den verschiedensten empirischen autopoietischen Systemen durchführt werden kann. Und dass diverse Beobachtungsoperationen zu verschiedenster Realitätserkenntnissen führen kann. Das heißt auch, dass die Einheit des Erkenntniszusammenhangs nur in den jeweiligen Systemgrenzen reproduziert werden kann.


[Soziologie]

Erkenntnis ist ein Produkt des Kommunikationssystem Gesellschaft, an dem Bewusstsein nur minimal beteiligt ist. Der dabei entstehende Wissensbestand ist ein Artefakt, dessen weiterprozessieren Aufzeichnungsmöglichkeiten(Speichermedien) verlangt.


! - Die Konstruktion eines anderen Beobachters kann durch Kommunikation erzwungen werden.

--> Kommunikation kommt nur dann zustande, wenn ein Beobachter imstande ist, in seinem Wahrnehmungsbereich zwischen Mitteilung vs. Information zu unterscheiden. --> "Mitteilung als Mitteilung einer Information" }- 1.Unterscheidung

Die Unterscheidung Mitteilung/Information ist für die Analyse sozialer Systeme (als Ganzheit aller dann: Gesellschaft) diejenige, die erklärt, warum sich Kommunikation so voraussetzungsreich u. Folgenwirksam evolutionär durchsetzen konnte.

--> Subjekt/Objekt => BLACK BOX <-- Hauptsache die Unterscheidung funktioniert }- 2.Unterscheidung Zunehmende Differenzierung und Komplexität von Kommunikationssystemen ermöglichen das Latenzbeobachten

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