24.8.06

(11) Wie ist Bewusstsein an Kommunikation beteiligt? (SM2)

Zusammenfassung des Text aus Luhmann, Niklas: Soziologische Aufklärung 6


Die Aussage "Menschen kommunizieren" muss darauf zurückgeführt werden, dass Kommunikation ihre Operationen auf Adressaten zurechnen muss, die für Anschlusskommunikationen zur Verfügung stehen. Kommunizieren kann aber nur Kommunikation.

Bleibt die Frage: Wie soll es möglich sein, dass Bewusstsein Kommunikation beeinflusst?
Dass dies so ist, merkt man aber schnell, wenn man ohne Bewusstseinsbeteiligung kommunizieren will.

Im Menschen (beobachtet aufgrund seiner organischen Konstitution) wirken vielfältige, in sich geschlossene, durch eigene Strukturen determinierte Systeme, welche sich in wechselseitiger Abhängigkeit befinden.

Bewusstsein selbst ist ebenfalls operativ geschlossen und zwar jedes einzelne Bewusstsein für sich. Kein Bewusstsein ist direkt mit einem anderen verknüpft. Aufmerksamkeit, Transformation von Gedanken zu Gedanken etc. finden nur innerhalb des bzw. jeweils einen Bewusstseins die nötige Operationsform.

Bzgl. Bewusstsein und sozialen Systemen kann man sagen, dass es sich bei beiden um strukturdeterministische Systeme handelt. Beide Typen von Systemen erzeugen durch den Vollzug ihrer eigenen Operationen Differenzen, ziehen Grenzen, akkumulieren Geschichte und definieren das, was für sie Umwelt darstellt.

Das Verhältnis von Kommunikation und Bewusstsein ist insofern asymmetrisch, als das Bewusstsein auch ohne Kommunikation zustande kommt, Kommunikation dagegen ohne Koinzidenz von Bewusstsein kaum vorkommt.
Es muss geklärt werden, warum die selbstorganisierende Operation der Kommunikation nicht ohne Bewusstsein auskommt, dieses aber außen vorlässt, so dass man sagen kann: Bewusstsein kommuniziert nicht.
Dafür ist es erforderlich sich der Autopoiesis emergenter Systeme zuzuwenden, welche den Begriff strukturdeterministischer Systeme ergänzt. Zudem beschreibt sie, wie Systeme sich selbst durch Strukturen determinieren können. Um dies zu tun muss es angepasst sein.

Angepasst sein ist hier nur zweiwertig gedacht: "Angepasst sein = existent sein" oder "nicht angepasst sein = nicht existent".

Existiert ein System ist es angepasst, reproduziert sich und steht strukturelle gekoppelt mit seiner Umwelt in Kontakt. Für Kommunikation heißt dass, sie fasziniert und okkupiert, wenn und solange sie läuft, Bewusstsein. Darin besteht ihre Angepasstheit.

Der "Trick" um die hochlabilen und eigendynamischen Mentalzustände dafür zu gewinnen, dass Kommunikation an Kommunikation anschließen kann, liegt darin, dass jede Kommunikation nur Bestimmtes sagt und dadurch den Bereich mögliches Anschlussmöglichkeiten reduziert. Das sie dies über die Form "Sinn" in der sie dies tut, öffnet sie in dem eingegrenzten Spektrum im Gegenzug den Möglichkeitenspielraum wieder.

Wenn die Systemoperationen nicht mehr fortgesetzt werden (und erst dann!) ist das System beendet.

Ein System kann deswegen auch nicht den eigenen Anfang oder das eigne Ende beobachten. Es würde eine Beobachtung des Aufhörens seines eigenen Aufhörens machen und so weiter operieren. Paradoxiefrei kann man nur Anfang und Ende anderer Systeme beobachten.

Kommunikation und Bewusstsein sind evolutionär operativ aneinander gekoppelt.

Über diese Medien hat sich die Kommunikation der nötigen Umwelt Bewusstsein so sehr angepasst, dass es innergesellschaftlich zu einer solchen Vernetzung von Kommunikationsverläufen kommen konnte, dass diese für die darin ablaufende Kommunikation wie für Bewusstsein vollständig intransparent geworden ist. Möglich ist nur noch eine effektivere Rekursivität im Beobachten des Beobachtens anderer.

Wenn autopoietische Systeme ihre operative und strukturelle Kopplung mit der für sie notwendigen Umwelt verändern (# "besser" anpassen) können sich deren Komplexitätschancen abrupt verändern.
=> Bewusstsein erschließt sich durch Kommunikation neue Möglichkeiten.
=> Kommunikation benutzt Bewusstsein als Medium. -> d.h.:

a) es thematisiert dieses im beanspruchten Moment nicht
b) aus a) das jeweilige Bewusstsein bleibt für die jeweilige Kommunikation unsichtbar


Bewusstsein muss bei Kommunikation ohne viel Eigeninteresse mitmachen.

Während Medien lose gekoppelte Elemente zeitlich stabil zur Verfügung stellen, sind selbige in aktualisierten Formen rigide gekoppelt, aber dafür konstitutiv instabil.

Sprache ermöglicht es, dass Bewusstsein Medium und strukturdeterminiertes System zugleich ist.
Als Medium ist es Medium nur für eine Form, gesehen von einer Form aus und Bewusstsein gibt nur die Gelegenheit für die Evolution der Sprache.

Konsistenzprüfungen können so stattfinden, dass Existenzen auf Ereignisse (bestimmte Kopplung von Elementen) reduziert wird und Gegenselektionen gebildet werden können.

Kommunikation lässt sich n u r durch Bewusstsein irritieren. Zwar kann Kommunikation nicht gesteuert, aber in ihrem operativen Verlauf gestört oder gereizt werden. Denn nur das Bewusstsein verfügt über die Möglichkeit der "Wahrnehmung".
Wahrnehmungen können zwar nicht mitgeteilt werden, aber es Berichte über sie möglich.

Das Verhältnis von Bewusstsein und Kommunikation kann als "strukturell komplementär" beschrieben werden.
Strukturänderungen sind zwar nur im System und nur durch das jeweilige System möglich, aber sie können sich gegenseitig zur Ausübung solcher Prozesse benutzen. Dafür müssen sie aber vorher überschneidungsfrei separiert sein - sonst käme es nur zu Determinationen.

Kommunikation hat sich aber evolutionär von konkreter Wahrnehmung immer mehr differenziert. Kommunikation kann zeitversetzt zu Wahrnehmung stattfinden und auch personell unabhängig.
Es besteht zwischen Bewusstsein und Kommunikation die Möglichkeit sich gegenseitig zu beobachten.

Obwohl Bewusstsein immer nur eigenes Bewusstsein findet, kann es über Kommunikation zur Vorstellung weiteren Bewusstseins kommen.
Die Unterscheidung von Mitteilung und Information ist Bedingung jeder Kommunikation und als ihr Kondensat ergibt sich die Unterscheidung von Personen/ und /Dingen. Denn es wird unterschieden zwischen einem Mitteilenden und dem von diesem sinnhaft augewählten Informationen. Man kann dann wahrnehmen, dass (nicht: was) andere auch wahrnehmen.
Alter Ego wird hier nicht "wie ich" wahrgenommen, sondern - differenztheoretisch - als Unterschiedenes bestimmtes anderes.

Obwohl kein Bewusstsein aus sich herausdenken kann (es kann aber natürlich in sich an etwas anderes denken), kann man sagen, dass Bewusstseinssysteme durch Interpenetration mit sozialen Systemen sozialisiert werden. Mit Rücksicht auf die Theorie geschlossener Systeme muss es sich dabei um Selbstsozialisation handeln.

Auf der Gegenseite müssen Kommunikationssysteme die Eigendynamik von organischem, psychischem und neuronalen System berücksichtigend inkludieren. Dies geschieht in der Moderne über die Konstruktion von Individuen als Personen. Da aber auch Kommunikation nicht über die eigenen Grenzen herausoperieren kann, handelt es sich dabei für sie um "kognitive Operationen" die nur das sind, was sie in der Kommunikation bewirken. Das sie (vorwiegend) als Konglomerat "Mensch" zusammengefasst behandelt werden ist ein Produkt von Kommunikation. Es ist dann eine systemreferenzielle Fragen wie es dazu kommt, dass ein System das beobachtet, was es beobachtet.

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