25.8.06

(12) Blog direkt - Nobelpreis Prüfungsanekdote

Nach annährend 10Billionen Prüfungen, die ich nun schon hinter mir habe (als Schüler, als Student, als Sportler, als Verliebter etc.) und da bald - dieser Blog sagt es ja bereits - die nächste "droht", möchte ich jetzt eine kleine Geschichte über Personen in Prüfungssituationen und darin stattfindende Selbstsozialisationen hier kurz zitieren / zusammenfassen, die ich in meiner Ferienlektüre, den "Buddenbrooks" fand.

Der letzte Buddenbrook, Hanno, Realschüler, hat sich am Wochenende lieber mit den hohen Künsten ("Lohengrin" im Theater) beschäftigt, als sich mit den Hausaufgaben rumzuschlagen (wie die meisten seiner Klassenkameraden). Nun sitzt er am Montag in der Lateinstunde und es werden die leidlichen Hausaufgaben abgefragt. Niemand kann es so richtig, man könnte sagen, die meisten können es nicht.
Folgendes spielt sich ab - Timm kommt dran:

"Timm stand auf, in einer der hintersten Bänke. Es war ein blonder Junge von ländlichem Aussehen, mit einer hellbraunen Jacke und kurzen, breiten Fingern. Er hielt seinen Mund mit eifrigem und törichtem Ausdruck trichterförmig geöffnet und rückte hastig sein offenes Buch zurecht, indem er angestrengt geradeaus blickte. Dann senkte er den Kopf und begann, vorzulesen [was natürlich nicht sein soll. Er soll es Auswendig können. Anm. DK], langgezogen, stockend und monoton, wie ein Kind aus der Fibel: >Aurea prima sata est aetas...<[...] >Ich bin befriedigt", sagte der Ordinarius, als Timm geendet hatte. "Sie haben gut gelernt, dass steht außer Zweifel. [...] Sie sind fleißig gewesen, Sie haben Ihr Bestes getan, und wer immer strebend sich bemüht. ... Sie können sich setzen<.

Timm setzte sich stolz und strahlend, und Doktor Mantelsack schrieb eine wohl befriedigende Note hinter seinen Namen. Das Merkwürde aber war, dass in diesem Augenblick nicht allein der Lehrer, sondern auch Timm selbst und seine sämtlichen Kameraden der aufrichtigen Ansicht waren, dass Timm wirklich und wahrhaftig ein guter und fleißiger Schüler sei, der seine Note vollauf verdient hatte."

Ein andermal kommt der weniger vom Glück gesegnete Petersen an die Reihe. Auch er ließt - wie alle anderen die an die Reihe kamen - ab, doch Doktor Mantelsack erwischt ihn. Es folgt das Schreckliche:

"Das Klassenbuch", sagte er [Doktor Mantelsack, Anm. DK] dumpf.

Adolf Todtenhaupt brachte dienstbeflissen das Klassenbuch herbei, und Petersen erhielt einen Tadel wegen versuchten Betruges, was ihn auf lange Zeit hinaus vernichtete und die Unmöglichkeit seiner Versetzung zu Ostern besiegelte.
>Sie sind der Schandfleck der Klasse<, sagte Doktor Mantelsack noch und kehrte dann zum Katheder zurück.

Petersen setzte sich und war gerichtet. Man sah deutlich, wie sein Nebenmann ein Stück vor ihm wegrückte. Alle betrachteten ihm mit einem Gemisch von Ekel, Mitleid und Grauen. Er war gestürzt, einsam und vollkommen verlassen, darum, dass er ertappt worden war. Es gab nur eine Meinung über Petersen, und das war die, dass er wirklich >der Schandfleck der Klasse< war.

Wer unter diesen fünfundzwanzig jungen Leuten von rechtschaffener Konstitution, stark und tüchtig für das Leben war, wie es ist, der nahm in diesem Augenblicke die Dinge völlig wie sie lagen, fühlte sich nicht durch sie beleidigt und fand, dass Alles selbstverständlich und in der Ordung sei. Aber es gab auch Augen, die sich in finsterer Nachdenklichkeit auf einen Punkt richteten..."
aus:

Buddenbrooks
S.727-731, Thomas Mann,Fischer Taschenbuch 2005

2 Kommentare:

lars hat gesagt…

mon ami,

wann ist es denn so weit? Und wann ergibt sich eine Chance des Wiedersehens? (Im Oktober? In Kassel? Früher? Später?

lars hat gesagt…

)